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Eckardt Schön, Erfurt (Landesvorsitzender der Gesellschaft für Fotografie Thüringen):
Das Bild zeigt genau das, was man sich unter einem amerikanischen Astronauten vorstellt, einen modernen Helden. Einsam blickt er in die Ferne und bedient damit das Klischee, das uns amerikanische Actionfilme immer wieder vermitteln: „Der Starke ist am stärksten allein.“
Die Figur füllt das Format aus und wirkt damit monolithisch, stabil, unerschütterlich. Der Fotograf hat als Gestaltungsmittel für sein Portrait sicher ganz bewußt die Untersicht und hartes Licht verwendet. Beides unterstützt die oben beschriebene Bildaussage.
Durch die Untersicht wirkt der Kopf kleiner und der Körper massiger. Die Figur wird dadurch bedrohlich. Man assoziiert die Action-Helden Hollywoods, bei denen trotz Computer und High-Tech immer noch die Körperkraft wichtiger als das Denken ist. Auch die Vielzahl der Aufnäher an der uniformierten Kleidung erinnert an militärische Auszeichnungen, was wiederum zum Heldenbild paßt.
Der Kopf hebt sich gut vom dunklen Hintergrund ab und ist dadurch bildbestimmend, trotz des massigen Körpers. Das harte Licht führt zu hohen Kontrasten, wodurch auch das Gesicht sehr hart wirkt. Der Mund ist fest geschlossen, die Augen blicken adlerartig in eine weite Ferne. Das hat alles wenig Menschliches, die Person wirkt gefühlskalt. Das Gesicht zeigt keine Regung. Obwohl der hier gezeigte Astronaut, Dave Walker, sicher auch andere Seiten hat, erscheint er in diesem Foto als unnahbarer Held. Der Fotograf hat die gestalterischen Mittel geschickt eingesetzt, um ihn uns auf diese Art zu zeigen. Man kann darüber streiten, ob es richtig ist, ein so einseitiges Bild eines Menschen zu zeichnen. Ich denke, es ist legitim, wenn man einen Typus darstellen will. Das hat der Bildautor offenbar beabsichtigt, denn er nannte sein Bild einfach „Astronaut“. Wenn es ihm um den konkreten Menschen Dave Walker gegangen wäre, hätte er sicher den Namen als Bildtitel gewählt. Als Portrait ist die Darstellung zu einseitig, als Schilderung eines Typus jedoch ein gelungenes Foto.
Dietmar Treber (Arbeiterfotografie Frankfurt):
Ein Mann Anfang, Mitte dreißig, kurze Haare, im Overall mit zahlreichen Aufnähern. Sein Blick ist eingefroren, Leere spiegelt sich in seinen Augen.
Der Mann nimmt eine Pose ein, die keine sein soll, er bleibt verschlossen, präsentiert sich kühl und unzugänglich. Die Aufnahme, in Houston festgehalten, zeigt den Astronauten Dave Walker.
Wenn ich bislang an einen amerikanischen Astronauten dachte, hatte ich immer ein strahlendes, stolzes Gesicht vor Augen. Die Weltmacht Amerika präsentierte sich immer mit stolzen und patriotischen Gesichtern. Die Weltraummänner mit den Fernsehgesichtern, strahlend, mit der amerikanischen Flagge in der Hand, eingerahmt von der liebenden Ehefrau und gut erzogenen, fröhlich winkenden Kindern.
Nein, dieses Foto paßt so gar nicht in das immer wieder gezeigte Klischee aus den Vereingten Staaten.
Ein Astronaut, ganz allein vor einem schwarzgrauen Hintergrund, müde und leer, vielleicht sogar ängstlich. Angst vor dem nächsten Flug, müde von der anstrengenden Ausbildung, Zweifel an der Mission des nächsten Startes? Fragen, die sich vielleicht auch einige andere seiner Kollegen und Kolleginnen stellen, die aber in den weltweit ausgestrahlten TV-Bilder nicht gefragt sind.
Guten Flug Astronaut! Guten Flug auf der neuen Reise, durch die unendliche Weite des Raumes. Guten Flug und die Hoffnung auf eine bunte und fröhliche Zukunft!
Konrad Höcker, Köln (Klagemauer für Frieden und Völkerverständigung):
Ich sehe einen Menschen mit Stiernacken, der frisch und aufgeweckt in die Welt blickt. Der Anzug sieht aus, als hätte er Bierdeckel aufgeklebt. Hätte ich die Bildunterschrift nicht gelesen, würde ich ihn einordnen als arischen Typus Adolf Hitlers, der in die Welt geschickt wird, um Kinder zu zeugen und die Welt zu erobern. Das Foto ist so aufgenommen, daß der Dargestellte auf mich unvorteilhaft wirkt. Das Gesicht hat etwas Maskenhaftes, Soldatisches. Ich kann ihn mir nicht als jemanden vorstellen, der als Pfleger tätig ist. Mit ihm möchte ich nichts zu tun haben. Ich arbeite mit Schwerbehinderten. Die haben einen anderen Ausdruck, teilweise wie diejenigen, die in Hitlers Zeit vergast worden sind. Wenn ich dieses Bild hier sehe, dann fehlt nur noch eine entsprechende Mütze, und ich könnte ihn als Lagerverwalter sehen. Er bedrängt mich irgendwie. Das Gesicht hat für mich etwas Erschreckendes. Ich habe einen Brockhaus aus Hitlers Zeiten, den ich in meiner Schulzeit 1946,47,48 verwendet habe. Darin waren arische Typen abgebildet, an die mich dieses Bild erinnert. Die starken Backenknochen, das markante Kinn... Das Bild drückt eine starke Willenskraft aus. Menschen mit solcher Willenskraft habe ich in Kolonnen marschierend gesehen. Und sie haben Menschen umgebracht. Deshalb erschrickt er mich. Ich hätte Angst, wenn ich mit ihm zusammensein müßte. Ich erinnere mich an Berlin nach dem Krieg, als Militärfahrzeuge amerikanischer Soldaten mit Maschinengewehr im Anschlag auftauchten und ich mich erschrocken habe. Das waren ähnliche Gesichter: Ledernackentypen, Welteroberer.
Andererseits besagt ein Gesicht erstmal gar nichts. Auch wenn mir dieses Gesicht nicht gefällt, verbirgt sich dahinter möglicherweise ein Mensch wie du und ich. Und ich kann mir vorstellen, daß seine Frau sich freut, daß er wieder zu Hause ist. Wenn ich das Gesicht genauer studiere, entdecke ich in seinen Mundwinkeln eine Spur Freundlichkeit. Was ich geäußert habe, braucht nicht zu stimmen. Niemand kann für sein Aussehen. Es ist ähnlich wie bei einer Behinderung.
Aber: Menschen, die einen derartigen Beruf ergreifen, haben eine bestimmte Art zu denken. Ledernacken, SA oder SS fallen mir dabei ein. Es geht um Prestige. Astronauten wie er jagen einem Phantom nach. Vielleicht suchen sie Gott. Aber auf diese Weise können sie ihn nicht finden. Wenn, dann müssen sie ihn auf der Erde suchen. Seine Ziele? Er will nach oben. Astronauten müssen sich von ihren Familien und Allem lösen. Sie wissen nicht, ob sie nicht schon beim Abheben der Rakete umkommen. Für mich ist es abartig, dort oben rumzufliegen. Auf der Erde ist genug zu tun. Oben lassen sich keine Obdachlosen unterbringen, können keine Kranken geheilt werden.
Seinerzeit ist der Eindruck erweckt worden, als solle der Mond erobert werden. Tatsächlich ging es um die Entwicklung von Interkontinentalraketen für den militärischen Einsatz auf der Erde.
Der Fotograf hat sein Foto gut gemacht. Er hat den Astronauten dargestellt, wie ich ihn sehe, als Soldat, als Kämpfertyp. Er springt Dir regelrecht entgegen.
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