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"Die Wirtschaft rappelt sich. Wunderbar! Vor dem Krieg steckten wir in einer Flaute. Verrückt, wie das so geht. Immer wenn es einen Krieg gibt, geht es in den Ländern voran." Das ist die Aussage eines New Yorker Börsenangestellten, die einiges vom Charakter des Golfkrieges deutlich macht. Und ein Kritiker der Photopresse merkt dazu an: "Hier wird zu Zeiten des versinkenden real existierenden Sozialismus deutlich gemacht, daß die Aussagen von Karl Marx von manchen möglicherweise vorzeitig auf den historischen Scheiterhaufen geworfen wurden."
Die Rede ist hier von einer sehr erfolgreichen Ausstellung, die die Arbeiterfotografie Köln im September 1991 in der Zentralbibliothek der Stadt Köln gezeigt hat. Sie beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Golfkrieg und seinen Folgen. Ihr Titel "Alles Konfetti?" spielt an auf die größte Militärparade der USA seit 1945, die Konfetti-Parade in New York am 10. Juni 1991, eine Parade, mit der die USA das Ergebnis eines Krieges feiern: hunderttausende Tote und eine verwüstete Region, ein Ergebnis, das die USA Sieg nennen.
Eine Ausstellung über den Golfkrieg zu machen, das ist ein Problem. Vieles, was diesen Krieg ausmacht und was hinter ihm steht, ist für uns weitestgehend unzugänglich oder mit den Mitteln der dokumentierenden Fotografie nicht darstellbar. Wir können nicht ohne weiteres in den Irak fahren und dort Fotos von einem mörderischen Krieg machen. Und selbst, wenn wir es könnten, hätten wir keine Chance, die Zensur der Militärs zu durchbrechen. Und zudem: Hintergründe, Interessen, die bei der Führung eines Krieges wie dem Golfkrieg eine Rolle spielen, lassen sich ohnehin nicht fotografieren. Eine Ausstellung über den Golfkrieg also ein aussichtsloses Unterfangen?
Hervorragend. Beeindruckend. Ausgezeichnet. Erschütternd. Fotografie, wie sie sein soll - packend und parteiisch. Das ist ein kleiner Querschnitt durch Begriffe, wie sie ins Gästebuch der Ausstellung Eingang gefunden haben. "Selten hat eine Ausstellung in diesem Haus auf Anhieb so viel Interesse hervorgerufen wie diese. Seit die Bilder hängen, noch vor der offiziellen Eröffnung, drängen sich schon unsere Besucher zwischen den Stellwänden." Das sagte der Direktor der Zentralbibliothek, Dr. Horst Neißer, zur Eröffnung. Also eine Ausstellung über den Golfkrieg doch kein aussichtsloses Unterfangen? Es muß uns offensichtlich - trotz der Schwierigkeiten - gelungen sein, zu vermitteln, was sonst eher verschwiegen wird und wofür bei vielen Ausstellungsbesuchern ein starkes Informationsbedürfnis bestanden hat. Es muß uns offensichtlich gelungen sein, viele der mehr als 3000 Menschen, die täglich die Zentralbibliothek besuchen, mit der Ausstellung zu erreichen. Warum, können wir nur nachträglich zu ergründen suchen. Vorausgesehen haben wir es nicht.
Typisch für die Ausstellung sind die ganz unterschiedlichen Wege der Annäherung an das Thema. Neben dokumentarischer Fotografie haben wir mit Collagen und Fotomontagen, mit Bildern vom Fernsehbildschirm, mit eigenen Interviews und mit Bildverfremdungen gearbeitet. Die folgenden Seiten zeigen Beispiele für diese unterschiedlichen Herangehensweisen.
Den Fernseher abzufotografieren erscheint zunächst einmal als nichts besonderes. Aber offensichtlich ist es auf diesem Wege doch möglich, einzufrieren, was sich uns sonst allzuschnell entzieht. Bilder von den brennenden Ölquellen oder von der Konfetti-Parade und von Leuten, die sich zu den Feierlichkeiten äußern, haben wir auf diese Weise konserviert. "Dabei verliert das stehende Bild die flüchtige Oberflächlichkeit des Fernsehens, da es nicht so schnell verflimmert, sondern den Betrachter festhält, insistiert, fordert, sich einzulassen mit dem Bild, das auch die Neugierde auf den Text auslöst." So formuliert es Ralf Baumgarten in seiner Ausstellungskritik in der Photopresse.
Darüberhinausgehend haben wir Bilder aus Zeitschriften oder auch solche vom Bildschirm verfremdet. Die Arbeit 'Bildverwesung' ist dafür ein Beispiel. Ein Ausstellungsbesucher geht soweit zu schreiben, nur in dieser Arbeit sei "das Medium Fotografie zeitgemäß genutzt und so wirklich betroffen machend". Das mag nicht die Meinung der Mehrheit der Besucher sein. Aber allgemein ist uns aufgefallen, daß die Betrachter sich generell von ganz unterschiedlichen Tafeln angezogen fühlten.
Positionen der Kölner Bevölkerung zum Golfkrieg und zur Frage, ob sich die Bundeswehr an kriegerischen Aktionen auch außerhalb des NATO-Gebiets beteiligen sollte, haben wir mit Portrait-Interview-Kombinationen ergründet.
Eine wichtige, insbesondere emotionale Rolle spielen mit Sicherheit die eingesetzten Fotomontagen. "Die Sachlichkeit wird verlassen. Polemik soll aufrütteln. Da wird die Freiheitsstatue durch Photo-Montage ... zu einer Maske mit zwei sich widersprechenden Gesichtern." (Ralf Baumgarten in der Photopresse) "Arbeiterfotografie, das heißt Engagierte Fotografie. Und das wiederum bedeutet, Stellung zu beziehen. Die Collagen ... sprechen da eine deutliche Sprache: die Freiheitsstatue löst sich langsam auf und hebt schließlich als todbringende Rakete vom Erdboden ab. Und der grinsende George Bush verkündet vor einem Soldatenfriedhof, die Welt habe nicht länger warten können." (Andreas Böckler in einer Sendung von Radio Köln) Unter die Haut geht mit Sicherheit auch die durch Doppelbelichtung entstandene Montage "Stell Dir vor, es ist Krieg", zumindest wenn man erkannt hat, daß hier nicht alles so normal ist, wie es im ersten Moment scheint (siehe dazu die Rubrik Forum).
Aber auch der dokumentarische Teil der Ausstellung hat sich durchaus als wichtig herausgestellt, auch wenn er überwiegend aus den in weiten Kreisen der Arbeiterfotografie verpönten Demonstrationsfotos besteht. Zwei der insgesamt dreizehn Tafeln sind in diesem Artikel im Original-Layout wiedergegeben. Jede Tafel dokumentiert eine Veranstaltung gegen den Golfkrieg. Viele Besucher haben sich hierin wiedergefunden, insbesondere wohl diejenigen, die an den Aktionen beteiligt waren. "Die Aufnahmen von der Bewegung gegen den Golfkrieg haben mich sehr bewegt." Das ist eine von mehreren ähnlichen Stimmen aus dem Gästebuch. Beim Sichten der Fotos waren wir selbst erstaunt darüber, welche Breite und Vielfalt in den Aktionen gegen den Golfkrieg zutage tritt: Demonstrationen, Kundgebungen, Brücken- und Gleisblockaden, Rosenmontagszug, Gottesdienst-Aktionen, ...
Zum Schluß noch einmal Bibliotheksdirektor Dr. Horst Neißer: "Die Mitglieder der Gruppe 'Arbeiterfotografie Köln' sind Profis und Amateure. Eines aber verbindet sie: ihr Engagement für Menschen und Organisationen, die gegen den Stachel löcken. Sie sind nicht 'Sprachrohr' für all die, die eben nicht über Presseorgane verfügen, sondern 'Sehrohr' und 'Brennglas'. Zwar frieren die Bilder die Zeit quasi ein, konservieren sie, und dennoch ist dies keine Gedächtnisausstellung über Vergangenes. Das, was auf diesen Fotografien angeprangert wird, ist heute so aktuell wie zur Zeit der Aufnahme. Die Probleme und Haltungen, die dargestellt werden, sind eben noch nicht bewältigt. Wir werden uns noch lange, und wahrscheinlich sogar noch unsere Kinder, mit ihnen zu befassen haben."
Andreas Neumann, Arbeiterfotografie Köln
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